Private Homepage von Martin Waibel, Wittlich   


Trauer um Bernd



Trauerrede

gehalten von Frau Cindy Ratka, Mitarbeiterin von der Pietät Ernst in Niedernhausen, zur Beisetzung am 14. März 2025 um 11 Uhr auf dem Südfriedhof in Wiesbaden.


Liebe Familie,
liebe Freunde,
liebe Wegbegleiter von Bernd Waibel,


wir sind heute hier, um Abschied zu nehmen — und um uns zu erinnern. An Bernd, an sein Lachen, seine Gedanken, seine Taten. In einem Moment wie diesem, wo wir mit einem so plötzlichen unerwarteten, viel zu frühen Tod konfrontiert werden, melden sich oft quälende Fragen: Hätte ich an seinem letzten Tag etwas anders machen können? Hätte ich genauer hinhören sollen, mehr Zeit haben müssen? Etwas verändern oder abwenden können?

Lars Mytting ein norwegischer Autor schrieb in einem Buch: "Strafe dich nicht selbst mit Grübeleien, was du an seinem letzten Tag hättest anders machen sollen. Nimmst du das Leben als Ganzes in den Blick, so erscheint unser Verhalten im Einzelnen nachrangig." Dieses Zitat erinnert uns an das was in unserer Trauer und Ohnmacht leicht verloren geht: Kein Leben besteht nur aus einem letzten Tag. Bernds Leben war gefüllt mit Begegnungen, mit gemeinsamen Momenten, mit Liebe, mit Freundschaft. Und auch wenn wir nicht jede dieser Gelegenheiten bewusst wahrgenommen haben, auch wenn manches ungesagt blieb — so zählt doch das Ganze, nicht das Einzelne.

Bernds Leben war reich an solchen Momenten — an Begegnungen, an Erlebnissen, an Geschichten, die er mit uns geteilt hat. Sein Weg war einzigartig, geprägt von Höhen und Tiefen, von Entscheidungen und Zufällen, von Liebe und Verantwortung. Um ihn in seiner ganzen Fülle zu würdigen, wollen wir nun gemeinsam auf sein Leben zurückblicken — auf die Stationen, die ihn geprägt haben, auf das, was er geschafft, geliebt und hinterlassen hat.

Bernd Waibel wurde am 4. April 1958, an einem Karfreitag, in Überlingen geboren. Als zweiter von fünf Brüdern wuchs er am Bodensee auf, in einer Familie, die ihm stets wichtig war. Seine Kindheit und Jugend waren geprägt von Gemeinschaft — sei es bei den Pfadfindern, als Ministrant oder auf Reisen mit Freunden.

Nach dem Abitur absolvierte er den Wehrdienst in Laupheim als Sprechfunker in der Flugtechnischen Abteilung, bevor er sich gemeinsam mit seinem Freund Achim für ein Jurastudium in Konstanz entschied — eine Wahl, die weniger aus brennender Leidenschaft für Paragrafen als vielmehr aus der Idee entstand, zusammen zu studieren und in der Heimatnähe zu bleiben. Doch letztlich führte ihn sein Weg in eine andere Richtung.

Nach einer Phase der beruflichen Orientierung, in der er unter anderem als Werksbote im Bodenseewerk in Überlingen arbeitete, begann er 1986 eine Ausbildung zum Verlagskaufmann. beim Haug -Verlag in Heidelberg. Genau dort, wo auch sie liebe Frau Plag, eine Ausbildung absolvierten. Bernd wurde ihnen mit den Worten angekündigt: „Der grinst so nett..." — dies war der Moment, an dem ihr gemeinsamer Lebensweg begann. Sie beide hatten eine besondere Verbindung, mit Höhen und Tiefen, mal nah und mal fern, aber egal was passierte, sie begleiteten sich fortan auf ihrem Weg durchs Leben. 1996 kam Nico dazu. Bernd war ein freundlicher und liebevoller Vater für Nico, der sein Leben lang immer für ihn da war, ihn unterstützte und viel, viel Geduld hatte.

Bernds beruflicher Weg führte ihn nach Frankfurt und schließlich nach Niedernhausen, wo er jahrzehntelang bei der Firma SAPRO arbeitete. Seine Kollegen schätzten ihn als ruhigen, besonnenen Menschen, der mit Professionalität und großer Gelassenheit seinen Beitrag leistete. Auch wenn er sich nie in den Vordergrund drängte, war er eine verlässliche Konstante — jemand, auf den man zählen konnte. Bernds Leben war geprägt von einem tiefen Sinn für Verbundenheit. Ob mit seiner Familie, mit engen Freunden, mit seinen Patenkindern oder mit den Menschen, die ihn im Alltag begleiteten — Bernd war jemand, der sich nicht aufdrängte, aber immer da war. Mit einem wachen Interesse für die Welt, mit einem feinsinnigen Humor und einer stillen, aber tiefen Zuwendung zu den Menschen, die ihm wichtig waren.

Freundschaften bedeuteten Bernd viel — und sie hielten oft ein Leben lang. Sein Freund Thomas, der ihn seit der Kindheit begleitete, erinnert sich an eine Zeit, in der ihre Wege sich fast selbstverständlich immer wieder kreuzten. Erst war es die Grundschule, dann die Pfadfinder, später gemeinsame Reisen nach Frankreich zum Beispiel in die Bretagne. Ihre Freundschaft war nie laut oder aufdringlich, aber sie war da — auch wenn man sich irgendwann aus den Augen verloren hatte, blieb sie im Herzen bestehen.

Bernd hatte eine ganz eigene Art, Menschen nahe zu sein. Er war kein Mann großer Worte über Gefühle, aber die, die ihn kannten, wussten, dass sie ihm wichtig waren. Das zeigte sich in vielen kleinen Momenten — in seiner ruhigen Art, zuzuhören, in seiner Geduld, in seinem trockenen Humor, mit dem erSituationen kommentierte. Er war jemand, der nicht viel Aufhebens um sich machte, aber für andere da war, wenn es darauf ankam.

Diese Verlässlichkeit zeigte sich besonders in der Familie. Seine Eltern waren für ihn immer ein zentraler Punkt. Nachdem sein Vater 2007 gestorben war, war es ihm ein großes Anliegen, seine Mutter in ihrer letzten Lebensphase zu begleiten. 2020 nahm er sich eine sechsmonatige Pflege -Auszeit, um für sie da zu sein — eine Zeit, die nicht immer leicht war, aber für beide wertvoll. Es war das Jahr, in dem die Corona-Pandemie begann, eine Zeit der Unsicherheit, der Isolation — doch Bernd war da, ganz selbstverständlich, mit seiner ruhigen, geduldigen Art.

Auch im Alltag zeigte sich seine Beständigkeit. Ob in der langen Zeit bei SAPRO, wo ihn seine Kollegen für seine verlässliche, unaufgeregte Art schätzten, oder in seinem Freundeskreis — Bernd war niemand, der viel Wirbel machte. Aber gerade darin lag seine Stärke. Er nahm das Leben, wie es kam, ohne große Ansprüche, aber mit einem tiefen Sinn für das, was wirklich zählte: Verlässlichkeit, Zusammenhalt, ein gutes Gespräch, eine gemeinsame Reise, eine Runde Kartenspiel mit Freunden oder das gemeinsame Kochen mit Nico.

Lassen sie uns nun einen Moment innehalten und jeder für sich an unseren lieben Bernd denken, wir hören dazu ein für ihn ausgewähltes Musikstück. In Momenten wie diesen fällt es uns schwer zu begreifen, dass ein Mensch, der uns vertraut war, nicht mehr da ist. Dass sein Lachen verklungen ist, seine Stimme verstummt, dass keine neuen Erinnerungen mehr hinzukommen werden. Der Tod hinterlässt eine Leere, auf die wir nicht vorbereitet sind — denn, wie Lars Mytting, den ich am Anfang dieser Rede bereits zitiert habe weiter schrieb: "Der Tod schickt nicht drei Wochen vor dem Termin einen Brief, damit man sich auf ihn einstellen kann. Er kommt, während du einen Himbeerbonbon lutschst." Und so reißt er uns aus dem Gewohnten, lässt uns nachdenken über das, was wir gesagt oder nicht gesagt haben, über Momente, die wir vielleicht nicht genug gewürdigt haben. Doch Lars Mytting gibt uns auch eine Antwort auf diese quälenden Gedanken: „Nimmst du das Leben als Ganzes in den Blick, so erscheint unser Verhalten im Einzelnen nachrangig."

Ein Leben ist mehr als seine letzten Tage, mehr als die einzelnen Worte, die gesprochen oder nicht gesprochen wurden. Es ist die Summe aller Begegnungen, aller Lächeln, aller stillen Gesten der Zuneigung. Und wenn wir an Bernd denken, dann erinnern wir uns an genau das: an seine ruhige Beständigkeit, an seinen Humor, an seine Verlässlichkeit.

Vielleicht ist das der Trost, den wir in unserer Trauer finden können: Dass ein Mensch nicht einfach verschwindet. Dass er bleibt in den Geschichten, die wir erzählen, in den Gewohnheiten, die er geprägt hat, in den Spuren, die er in unserem Leben hinterlassen hat. Und dass wir ihn mitnehmen — in unseren Gedanken, in unseren Herzen, in den Momenten, in denen wir merken, dass er auf seine Weise doch noch da ist.

Wenn ein Mensch geht, bleibt die Welt scheinbar unverändert — und doch ist nichts mehr, wie es war. Ein Platz bleibt leer, eine Stimme verstummt, kleine Selbstverständlichkeiten des Alltags fehlen plötzlich schmerzlich. Wir ertappen uns dabei, auf vertraute Geräusche zu warten, auf einen Schritt, auf ein Lachen, auf eine Bewegung — und doch bleibt alles still.

Eine polnische Dichterin hat dieses Gefühl in einem Gedicht auf besondere Weise eingefangen. Darin beschreibt sie eine Katze, die in einer leeren Wohnung zurückbleibt, nachdem ihr Mensch fortgegangen ist:
"An den Wänden hoch, sich an Möbeln reiben.
Nichts scheint sich hier verändert zu haben,
und doch ist alles anders."

So geht es auch uns. Die Räume, die Straßen, die vertrauten Orte — sie sind noch da, aber sie fühlen sich verändert an. Bernd hat Spuren hinterlassen, nicht nur in unserem Leben, sondern auch in all den kleinen Dingen, die jetzt stiller erscheinen. Die Musik, die er mochte, die Art, wie er eine Kaffeetasse hielt, sein Lächeln, sein stilles Zuhören.

Das Gedicht über die Katze endet mit einem Bild voller leiser Sehnsucht:
"Komme er nur, zeige er sich.
Er wird's schon erfahren.
Einer Katze tut man so etwas nicht an.
Sie wird ihm entgegenstolzieren,
so, als wolle sie es nicht, sehr langsam,
auf äußerst beleidigten Pfoten.
Noch ohne Sprung, ohne Miau."


Es ist ein tröstlicher Gedanke. So wie die Katze wartet, so tragen auch wir die Hoffnung in uns, dass der Verlust nicht das Ende ist. Dass die Liebe bleibt. Dass die Erinnerungen lebendig sind. Und dass Bernd, in all dem, was er uns bedeutet hat, immer ein Teil von uns sein wird.

Bernd, wir danken dir.
Wir danken dir für dein Dasein, für deine Ruhe, für deine Art, die Welt zu betrachten — gelassen, mit wachem Interesse, mit einem feinen Humor, der nie laut sein musste, um tief zu gehen.
Wir danken dir für die Freundschaft, die du geschenkt hast, ohne große Worte, aber mit echter Verlässlichkeit. Für die Momente, in denen du zugehört hast, für die kleinen Gesten, die so selbstverständlich waren, dass wir sie vielleicht erst jetzt wirklich begreifen.
Wir danken dir für die Zeit, die wir mit dir verbringen durften — in Gesprächen, in gemeinsamen Reisen, in stillen, wertvollen Augenblicken. Für deine Geduld, deine Loyalität, deine Fähigkeit, das Leben zu nehmen, wie es kam.
Wir danken dir für die Spuren, die du hinterlässt — in unseren Erinnerungen, in unseren Geschichten, in unserem Herzen. Es war ein Geschenk, dich in unserem Leben zu haben.
Und dafür, Bernd, sagen wir: Danke.

Nun ist der Moment gekommen, an dem wir dich zu deiner letzten Ruhestätte begleiten. Ein Moment, der uns schmerzt, weil er endgültig scheint. Ein Moment, in dem uns bewusst wird, dass wir dich in dieser Welt nicht mehr sehen, nicht mehr sprechen, nicht mehr um Rat fragen können. Und doch wissen wir: Du bleibst.

Der Tod nimmt einen Menschen aus unserer Mitte, aber nicht aus unserem Leben. Er verändert nur die Art, wie wir ihn bei uns tragen. Wir verabschieden uns von deiner physischen Anwesenheit, aber nicht von deiner Bedeutung, nicht von deiner Erinnerung, nicht von der Liebe und der Verbundenheit, die du geschenkt hast. Wir hören nun ein letztes Musikstück und gehen begleitet von Musik gemeinsam zu Bernds letzter Ruhestätte.

Wenn wir dich nun zur Ruhe betten, tun wir das nicht mit einem endgültigen Abschied, sondern mit der Gewissheit, dass du uns erhalten bleibst — in Erinnerungen, in Gedanken, in der Art, wie du uns geprägt hast.

Leb wohl, Bernd. Du bist nicht vergessen. Dein Platz in unseren Herzen bleibt. Alles was aus der Erde kommt muss wieder Erde werden, wie alle Wasser wieder ins Meer fließen.

In einem irischen Segen heißt es:
Der Wind stärke dir den Rücken,
die Sonne scheine in dein Gesicht,
bis wir uns wiedersehen,
sei geschützt auf deiner Reise,
in eine uns noch unbekannte Zukunft.

Bevor Sie jetzt gleich Gelegenheit haben, sich noch einmal ganz persönlich an der Urne von Bernd zu verabschieden, im Stillen oder mit Worten, die sie ihm mitgeben möchten möchte ich abschließend Laotse zitieren: Ich bin von euch gegangen nur für einen kurzen Augenblick und gar nicht weit. Wenn ihr dahin kommt, wohin ich hingegangen bin, werdet ihr euch fragen, warum ihr geweint habt.



Bilder: Privatarchiv